Schwebend durch Berlin – Braucht Deutschland eine Magnetbahn? – 20. November 2023 um 15:43 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) – Ob Seilbahnen, Drohnentaxis, das unterirdische Hochgeschwindigkeitssystem Hyperloop oder Magnetschwebebahnen: Vorschläge für neue ÖPNV-Konzepte sind in Deutschland weit verbreitet. Meist scheitern diese Vorstellungen von Bundes- oder Landespolitikern. Nicht vergessen ist der Versuch des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), die Vorteile des Transrapids zu beschreiben, der den Münchner Hauptbahnhof mit dem Flughafen verbindet. Nicht nur auf sprachlicher Ebene blieb das Projekt toter Buchstabe.

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Dirk Stettner, hat sich nun zum Bau einer Magnetschwebebahn für die Hauptstadt geäußert. Mit dem Koalitionspartner SPD wurde bereits eine Einigung erzielt. Die dafür notwendigen Strecken könnten deutlich schneller und kostengünstiger gebaut werden als neue U-Bahnlinien, argumentierte Stettner.

Ein weiterer Vorteil, insbesondere im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel bei der Berliner Verkehrsbetriebe BVG: Züge mit Magnetschwebebahn fahren in der Regel ohne Fahrer. Die Frage, wo genau eine solche Linie die Stadt kreuzen könnte, blieb offen. Der Zeitplan stand noch nicht einmal fest.

In der Hauptstadt gab es bereits eine Magnetbahn. In den 1980er Jahren fuhr die M-Bahn vom Gleisdreieck in Berlin-Kreuzberg über den Landwehrkanal und den Bahnhof Bernburger Straße zum Kemperplatz am Potsdamer Platz. Der Probebetrieb wurde 1984 aufgenommen, der Regelbetrieb lief von 1989 bis 1991. Nach dem Fall der Mauer beendete das Land das Projekt schnell und konzentrierte sich stattdessen auf den Ausbau des U-Bahn-Netzes.

Aus Sicht des Verkehrsforschers Andreas Knie war es die richtige Entscheidung – und die Argumente gegen die Magnetbahn bleiben gültig. „Magnetschwebebahnen sind leistungsstarke Massentransportmittel, die sehr viele Menschen gleichzeitig von A nach B transportieren“, erklärt der Berliner Wissenschaftler, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität am Zentrum für Sozialforschung. „Für das Berlin der 1920er, 1930er oder 1940er Jahre wäre es eine gute Idee gewesen, aber nicht für das Berlin von heute.“

Ihm zufolge sei die Stadt vielfältiger und fragmentierter geworden. Die vorhandenen öffentlichen Verkehrsmittel U-Bahn, S-Bahn und Straßenbahn seien für diesen Verkehr mehr als ausreichend, betont Knie. „Die Idee, in einer sehr dichten und sehr wasserdichten Stadt ein völlig neues Transportmittel zu bauen, ist veraltet und einfach verrückt.“ Es wird vermutet, dass der Vorschlag der Regierungsfraktion von den wirklich wichtigen Fragen der Berliner Verkehrspolitik ablenken soll – allen voran dem Konflikt um die Verteilung des öffentlichen Straßenraums.

Eine noch schärfere Kritik äußerte am Montag der Berliner Bund der Gewerkschaften für Umwelt und Naturschutz (BUND). Der Vorschlag, die Magnetbahn aus dem Berliner Klima-Sonderfonds zu finanzieren, sei „eine absolute Beleidigung für jeden, der beim Klimaschutz ernsthaft und schnell vorankommen will“, erklärte der Verband. „Die Klimakrise ist zu schlimm, um sie als Witz zu verstehen. Auffällige konkrete Projekte tragen nicht zu den Klimaschutzzielen bei.“

Generell genießen Magnetschwebebahnen jedoch einen guten Ruf. Der Antrieb erfolgt nicht durch Motoren, sondern durch Magnetfelder entlang der Strecke. Sie haben auch keine Räder, sondern schweben ein paar Zentimeter über den Schienen. Magnetschwebebahnen gelten als schnell, leise und effizient. Diese Technik gibt es schon seit Jahrzehnten.

Das bekannteste Transportsystem dieser Art in Deutschland ist der Transrapid, der hierzulande von Siemens und Thyssenkrupp entwickelt wurde. Allerdings wird es nirgendwo in Deutschland eingesetzt. Dies lässt sich insbesondere durch eine tragische Geschichte erklären: Im Jahr 2006 verunglückte der Transrapid auf der Teststrecke Emsland. Mit einer Geschwindigkeit von rund 170 km/h kollidierte ein Zug mit mehr als 30 Passagieren mit einem Wartungsfahrzeug auf der Strecke. 23 Menschen starben.

Dass sich diese Technik in Deutschland jedoch nicht durchgesetzt hat, lässt sich laut Verkehrsforscher Knie auch mit anderen Gründen erklären: „Magnetschwebebahnen als Fortbewegungsmittel machen erst bei Entfernungen von einigen hundert Kilometern Sinn“, sagte er. „In einem dicht besiedelten Land wie Deutschland bringt das immer Probleme mit sich. Deutschland ist dafür nicht der richtige Ort.“

Darüber hinaus ist insbesondere in Westeuropa und den meisten Industrieländern die bestehende Eisenbahninfrastruktur so weit entwickelt, dass eine völlige Neukonstruktion mit Magnetschwebebahnen kaum noch Sinn machen würde. Zumal moderne Hochgeschwindigkeitszüge mittlerweile in puncto Geschwindigkeit durchaus konkurrenzfähig sind.

Andererseits könnten Magnetschwebebahnen im Rahmen der transeuropäischen Schienenverkehrsplanung, insbesondere in Richtung Osteuropa, in Betracht gezogen werden. „Ob nach Warschau, Kiew oder Moskau, diese Fernverkehrstechnik macht überall dort Sinn, wo es keine gute Bahninfrastruktur gibt, wir aber hin wollen“, sagt Knie.

Nun bleibt abzuwarten, wie sich die Lage in Berlin entwickelt. Einen Senatsbeschluss gibt es nicht und im aktuellen Haushaltsplan sind hierfür keine spezifischen Mittel vorgesehen. Die Idee selbst ist jedoch nicht neu. Die Linie, die die Außenbezirke der Stadt mit dem Hauptflughafen BER verbindet, wurde bereits besprochen. Ob diese Fahrt, wie einst in München geplant, in zehn Minuten erledigt werden könnte, war in der Hauptstadt bisher nicht Gegenstand öffentlicher Spekulationen./maa/ah/DP/jha

Abelard Wehner

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